Wissenschaftskommunikation in der Archäologie. In den letzten Wochen scheint mir das Thema immer bekannter geworden zu sein. Vielleicht liegt das am “11. Forum Wissenschaftskommunikation”, das Anfang November in Bonn stattfand. So richtig qualifiziert fühle ich mich nicht, aber …

… nunja, ich konsumiere #wisskomm genauso wie alle anderen auch. Und ich bin Wissenschaftlerin. Und in Köln haben wir gerade eine Konferenz zu Communicating the Past ausgerichtet. Und da mir scheint, dass über das Thema allgemein mehr in der anglophonen Welt gesprochen wird als in Deutschland, dachte ich, schreibe ich doch mal einen deutschen Blogeintrag.

Was verstehe ich unter Wissenschaftskommunikation?

Es ist die Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen, Methoden und theoretischer Hintergründe auf einem verständlichen Niveau an Menschen außerhalb dieser Fachwissenschaften. Verbunden damit sind Öffentlichkeitsarbeit, öffentliche Archäologie und ähnliche Begriffe.

Wer im Wissenschaftsbereich tut das?

  • (staatliche) Museen (es ist eine ihrer Kernaufgaben Langzeit- und Wanderausstellungen sowie dazugehörige Kataloge zu entwickeln)
  • (staatliche) Universitäten (häufig als eine Art Aushängeschild für ihre Forschungsleistung und um den Ruf zu verbessern)
  • Forschungsgruppen
  • individuelle Forscherinnen und Forscher

Welche Medien werden benutzt?

Es gibt populärwissenschaftliche Bücher und Wissenschaftsmagazine, Museumsausstellungen, deren Kataloge, Wanderführer, Beschilderungen… alles mögliche, und natürlich Fernsehformate.

Diese Formate sind sehr häufig “Einbahnstraßen” des Wissens. Das heißt, das Buch / die Fernsehsendung / das Magazin wird geschrieben, publiziert und gelesen, aber ansonsten besteht kein weiterer Kontakt zwischen dem Forschenden und der Zuhörer/-leserschaft. Meines Erachtens sehr viel fesselnder sind die Kommunikationswege in zwei Richtungen, die durch die Web 2.0 – Revolution und die sozialen Medien ermöglicht wurden. Es ist eine recht hitzig diskutierte Debatte, ob Forschende auf diese Art und Weise mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten sollen. Manche Leute meinen, dass es unmöglich sei, zu forschen und gleichzeitig Wissenschaftskommunikation zu betreiben und dass, “[…] sich voraussetzungslose Allgemeinverständlichkeit nun einmal nicht mit dem Wesen von Wissenschaft [verträgt]” ). Ich bin jedoch nicht die einzige, die anderer Meinung ist: Jan Steffen, Jens Notroff and Oliver Dietrich (zwei Blogeinträge zu dem Thema), Elizabeth Reetz (eine wunderschöne Präsentation), Alison Melville , und viele andere sind der Meinung, dass wir als Forschende mit der Öffentlichkeit kommunizieren müssen.

Dafür gibt es viele Gründe

Cartoon by Tom Toro: "Those who don't study history are doomed to repeat it. Yet those who do study history are doomed to stand by helplessly while everyone else repeats it."
von Tom Toro. Aber warum reden die, die Geschichte studieren nicht mit denen, die sie nicht studieren (auf eine verständliche Art und Weise)?
  • Ethische Gründe:
    • Da die Forschung durch öffentliche Gelder (ergo Steuern) finanziert wird, sollten die Steuerzahler auch etwas davon haben oder nicht?
    • Geschichte und Archäologie informieren uns über unser gemeinsames menschliches Erbe. Jeder Mensch sollte in der Lage sein, etwas über seine Vergangenheit zu lernen: Indem wir unser Wissen teilen, ermächtigen wir andere.
    • Die Menschen interessieren sich dafür!
    • Wen wir für Archäologie und Geschichte begeistern, der kann uns helfen, Raubgrabungen, illegalen Kunsthandel, Schmuggel und ähnliches zu unterbinden.
  • “Politische Gründe” auf der institutionellen Ebene
    • Wenn niemand weiß, was du tust, weshalb sollte dich jemand unterstützen, wenn du mehr Zeit benötigst, um eine Fundstelle zu ergraben / wenn du mehr Geld für eine Forschungsfrage benötigst / wenn ein Gesetz für mehr Kulturgutschutz umgesetzt werden soll?
    • Wenn du nicht über deine Fachwissenschaft berichtest, dann wird es jemand anderes tun. Und diese Leute reden dann vielleicht lieber über Aliens, “ungelöste Rätsel der Vergangenheit” und “das vergessene Wissen der Alten” – alles Themen von denen du weißt, dass sie Schrott sind.
    • Wenn du dich nicht mit der Öffentlichkeit auseinandersetzt, kannst du den rassistischen, sexistischen oder einfach nur idiotischen Behauptungen über dein Forschungsobjekt, die es in den sozialen Medien gibt, nicht antworten.
    • Falls du Studierende für dein Fach haben möchtest, dann solltest du ihnen vielleicht erzählen, dass es dein Fach gibt und dass es total cool ist (anscheinend ist eventuell die britische Fernsehsendung Time Team für eine Zunahme an Archäologiestudierenden in Großbritannien verantwortlich ).
    • Außerdem… ist das Thema “Wissenschaftskommunikation” gerade sehr “in” und es kann sein, dass du deine Chancen verbesserst, wenn du das Thema in deinem Antrag unterbringst (hab ich gelesen; update: auch im Rahmen von dem EU-geförderten Horizont 2020)
  • “Persönliche politische Gründe”
    • Naja, wenn man berühmt werden möchte… oder einfach bessere Chancen auf eine Stelle haben möchte. Google-bar werden. Netzwerke in- und außerhalb der eigenen Disziplin schaffen. Wenn ich etwas über dich in einer Zeitung lese oder du dich dort äußerst, werde ich davon ausgehen, dass du ein Experte in deinem Fach bist.

Wissenschaftskommunikation ist nicht einfach

Wir lernen es einfach nicht, wenn wir unser Fach studieren. Wir lernen, (Sarkasmus an) in wunderbarer deutscher Tradition (Sarkasmus aus), möglichst kompliziert und verschachtelt zu schreiben. Schwierige und komplexe Themen in einfacher Sprache zu erklären ist schwierig. Es braucht Zeit. Einen Blogeintrag zu schreiben, braucht Zeit. Eine Frage auf Twitter zu beantworten, braucht Zeit und es kann auch ermüdend sein, immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten (wobei: hey, diese Person, die da gerade fragt ist interessiert! Es ist nicht ihre Schuld, dass sie es einfach nicht weiß… und ist es nicht großartig, dass sie es wissen will?). Manche Leute sind vielleicht einfach nicht die richtigen für solche Aufgaben (und alle sind sich einig, dass man es nicht versuchen sollte, wenn man nicht glaubt, dass es einem Spaß machen kann). Manch eine/r reagiert schnell genervt (und dann sollte man es wirklich bleiben lassen, die Leute, die Fragen stellen verdienen es nicht, dafür, dass sie etwas nicht wissen, mies behandelt zu werden), ein/e andere/r möchte einfach die Zeit, die er/sie mit Forschung verbringt, nicht reduzieren.

Außerdem gibt es im Moment innerhalb des Faches kaum Anerkennung für Wissenschaftskommunikation. Verschwendete Zeit, mögen folglich viele denken. Wenn wir es wirklich gut machen wollen, dann sollten wir zudem noch darüber nachdenken, an wen wir das, was wir als Wissenschaftskommunikation produzieren, richten. Ist das Material für Schulkinder? Oder eher für ältere Menschen? Besteht meine Zielgruppe aus Leuten ohne akademischen Hintergrund? Welches Medium eignet sich am besten? Sollte ich vielleicht einen Comic zeichnen? Was ist der Kern der Sache, von dem ich möchte, dass er beim Rezipienten ankommt? Muss ich mir eine knallige Überschrift ausdenken, damit Leute den Beitrag lesen oder sollte ich besser vorsichtig und korrekt bleiben? Wenn ich einfach anfange zu twittern, führt das meist erst dazu, dass mir andere Wissenschaftler meines Faches folgen, konnte eine Studie zeigen. Und sogar dann, wie drückt man sich dort aus? Ein sehr interessanter Blogbeitrag zeigt auf, wie der Schreibstil, den Wissenschaftler auf Twitter benutzen, Laien und sogar eigene Studierende, von dem Diskurs ausschließen kann.

Ich sehe also ein, dass Wissenschaftskommunikation weder einfach ist, noch mal schnell in der Mittagspause erledigt.

Aber wisst ihr was?

Es gibt da Profis. Professionelle Wissenschaftskommunikator*innen. Die wissen, wie man schwierige Sachverhalte in verständliche Puzzlestücke zerlegt, sie kennen Kommunikationsstrategien für verschiedene Altersgruppen, haben alle möglichen Visualisierungstechniken gelernt, auf die ich, Archäologin, die ich bin, gar nicht gekommen wäre. Eine Freundin von mir studiert Wissenschaftsillustration in Hamburg. Sie war auf der Konferenz in Bonn und kam leicht schockiert zurück: “Die wissen gar nicht, dass es uns gibt!” Die meisten Leute auf der Konferenz waren Wissenschaftler*innen, und obwohl sie meinte, dass die dort präsentierten Projekte cool waren, konnte sie doch einen gewissen Mangel an Reflektionen der Methoden feststellen.

Also, was will ich eigentlich hiermit sagen?

Tl;dr: Wissenschaftskommunikation ist wichtig. Wer sich darin engagiert, sollte auch innerhalb des Faches dafür anerkannt werden. Wenn Leute komplett uninformiert sind und anfangen wilde Alientheorien zu glauben, ist das auch, zum Teil, ein Versagen der Archäologie und Geschichtswissenschaften, da sie offensichtlich ihre Methoden und Ergebnisse nicht angemessen kommunizieren. Falls du glaubst, es selber nicht gut zu können, aber die Bedeutung einsiehst, dann stell doch einen Profi dafür ein: Schreib es in deinen Forschungsantrag. Antragsförderer:  Verlang Konzepte. Arbeitgeber: Bezahlt dafür.

Welchen Kanälen ich selber folge, fragt ihr? z. B. diesen:

  • twitter
    • @jens2go
    • @DSArchaeology
    • @SarahEBond (who also gives interesting insights about her outreach here)
    • @realsci_DE
    • @DGUF1969
    • … und noch deutlich mehr…
  • facebook groups
    • Archäologie in Deutschland
    • Archaeosoup
    • Archaeology Institute UHI
  • blogs
    • Miss Jones https://www.miss-jones.de/
    • Archäologik https://archaeologik.blogspot.com/
    • Archäologieblog http://archaeologieblog.de/
  • youtube
    • Archaeosoup
    • Lindybeige
  • websites
    • https://www.archaeologie-online.de/
    • http://value-foundation.org/

Ist mein eigener Kanal gelungen? Vermutlich nicht, da ich kaum über Zielgruppen nachdenke und meine Gedanken einfach nur in den Raum schleudere. Allerdings versuche ich schon, nicht zu viele Fachwörter zu benutzen. Was denkt ihr, versteht man mich?

Literatur

Mant-Melville, Alison. 2014. “Science Communication in Archaeology.” In Encyclopedia of Global Archaeology, edited by Claire Smith. Springer. https://www.researchgate.net/publication/275524366_Science_Communication_in_Archaeology.
Eggert, Manfred KH. 2005. Prähistorische Archäologie. Konzepte Und Methoden. 2nd ed. Tübingen und Basel: A. Francke Verlag.

Sophie Schmidt

Founder & Editor

About the Author

My name is Sophie, I am a prehistoric and computational archaeologist and have been research associate at the Universities of Bonn and Cologne, as well as for the NFDI4Objects project at the German Archaeological Institute. I teach statistics for archaeologists, work on new methods in settlement archaeology (GIS, geostatistics in R and stuff) and am interested in archaeogaming. Now I started my PhD-project on the 5th mill. BC in Brandenburg (that's North-East Germany).

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